Ein Tierarztbesuch ist meist für alle Beteiligten ein mit großer Aufregung und vielleicht auch großer Sorge um den Hund begleitetes Ereignis. Damit das Ganze ein wenig ruhiger abläuft, hat Hey Fiffi-Trainerin Daniela Maletzki ein paar Tipps für dich.
Ein typischer Tierarzt-Besuch
Meist beginnt die Aufregung schon auf dem Weg oder spätestens beim Erreichen der Praxis. Dein Hund will vielleicht nicht aus dem Auto aussteigen, zieht wie verrückt an der Leine oder aber du musst ihn förmlich hinter dir her in die Praxis schleifen. So sind oft schon beim Betreten der Praxis Mensch und Hund mit den Nerven am Ende. Nun bist du aber endlich in der Praxis angekommen, betrittst das Wartezimmer und willst dich eigentlich nur still mit dem Hund in eine Ecke setzen. Dann aber ist dein Hund unruhig, winselt, fiept, bellt und benimmt sich völlig daneben, während gefühlt alle anderen Hunde scheinbar ruhig neben ihrem Besitzer sitzen und die Katze im Korb nebenan ignorieren. Schon bald folgen die ersten mitleidigen Blicke der Mitwartenden und die ersten Kommentare alla „Ja, was hast du denn?“ in Richtung des Hundes lassen nicht lange auf sich warten.
"Ja, was hat er denn?"
Er (oder sie) befindet sich im Ausnahmezustand! Auch ohne einen gestressten Besitzer am anderen Ende der Leine und vielleicht der Vorerfahrung, dass es beim Tierarzt auch schon einmal unangenehm bis schmerzhaft sein kann, ist das Ganze schon allein aufgrund der Begleitumstände - viele fremde Menschen und unbekannte Tiere auf engstem Raum, die Gerüche, die Lautstärke - eine Ausnahmesituation für deinen Hund. Dein eigener Stress führt dann leider oft dazu, dass mit Unverständnis und Ärger auf die Bedürfnisse und Nöte des Hundes reagiert wird.
So bitte nicht!
In solchen Situationen neigen viele Hundebesitzer dazu, ihren Hund für sein unangebrachtes Benehmen zu schimpfen. Sie sagen ihm immer wieder, dass er sich setzen oder hinlegen soll und verstehen nicht, warum der Hund immer wieder aufsteht und einfach nicht gehorchen will, obwohl er ja weiß was er machen soll. Letzen Endes wird sich dann durchgesetzt und unter den Blicken der Mitwartenden, denen auf der Stirn geschrieben steht, was sie von einem so unerzogenen Hund halten, wird der Hund in die gewünschte Position gezwungen.
Hilf deinem Hund!
Warum darf der Hund nicht einfach die ihm in dieser Situation bestmögliche Position selbst bestimmen? Viele Hunde stehen unter so großer (Muskel-)Anspannung, dass es für sie einfach nicht möglich ist, sich hinzusetzen bzw. sitzen zu bleiben oder sie ertragen die Nähe der ihnen fremden Menschen und Tiere nicht. Bitte zwing deinen Hund nicht dazu, denn dadurch wird die Gesamtsituation für ihn noch negativer verknüpft. Vielleicht hilft es, ihn kleine Tricks wie Pfote geben, Handtouch oder Ähnliches machen zu lassen, so dass er aktiv etwas zu tun hat und sich nicht ausschließlich auf das Drumherum konzentriert. Es hilft deinem Hund auch nicht, wenn du ihn ignorierst, obwohl er immer wieder Blickkontakt zu dir aufnimmt oder versucht auf deinen Schoß zu klettern. Sieh es als Vertrauensbeweis, dass dein Hund sich in einer für ihn so beängstigenden Situation hilfesuchend an dich wendet. Es spricht nichts dagegen, deinem Hund, der um Hilfe bittet, diese auch zu gestatten und ihn auf den Schoß zu nehmen. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, dass du die Angst deines Hundes damit belohnst.
Das Wartezimmer ist keine Kontaktbörse
Auch wenn du selbst einen Hund hast, der gern Kontakt mit seinen Artgenossen hat und in der Regel auch sehr nett ist, so solltest du doch bedenken, dass auch der liebste Hund in einer Ausnahmesituation anders reagieren kann als bei einem Treffen im Park. Außerdem gibt es ja auch einen Grund, warum die Hunde beim Tierarzt sind und dieser kann auch einmal in einer ansteckenden Krankheit bzw. Parasitenbefall liegen. Du solltest Verständnis dafür haben, dass ein Hund der vielleicht krank ist, unter Unwohlsein leidet und evtl. Schmerzen hat, abwehrend darauf reagieren kann, wenn ein anderer Hund versucht, Kontakt mit ihm aufzunehmen. Es ist also nicht empfehlenswert, den Hund Kontakt zu anderen Hunden aufnehmen lassen. Unter Umständen kann es auch notwendig sein, andere Hundehalter höflich, aber bestimmt darauf hinzuweisen, dass Kontakt jetzt nicht gewünscht ist.
Vorbeugen ist besser als heilen
Wenn du deinen Hund als Welpen zu dir holst, kann er schon von klein auf spielerisch lernen, dass er sich überall am Körper anfassen lassen kann und dafür auch noch eine Belohnung bekommt. Dadurch werden notwendige Pflegemaßnahmen und auch der Tierarztbesuch erleichtert. Grundsätzlich empfehle ich dir immer, mit dem Hund ein Medical Training durchzuführen. Auch wenn dein Hund hoffentlich niemals krank wird, so werden ihm dadurch regelmäßig anfallende Termine, zum Beispiel zum Impfen, erleichtert.
So geht´s etwas leichter - Vor und nach der Behandlung
Handelt es sich nicht um einen Notfall oder ein plötzliches Auftreten von Krankheitssymptomen, empfehle ich dir, dass du einen Termin ausmachst und nicht zu den offenen Sprechstunden in die Tierarztpraxis gehst. Wähle einen Termin zu einer Zeit, wenn du selbst nicht unter Zeitdruck stehst und in der Praxis nicht viel los ist.
Erlauben es die Temperaturen und dein Hund kann gut im Auto warten, kannst du die Anmeldung ja schon einmal erledigen und den Hund erst reinholen, wenn er aufgerufen wird. Falls es zu warm ist oder kein Auto vorhanden ist, kannst du nach der Anmeldung auch mit dem Hund in ausreichendem Abstand zum Eingang draußen vor der Praxis warten.
Auch nach der Behandlung, sollte der Hund erst einmal ins Auto gebracht werden bevor es ans Bezahlen geht. Gerade im Anmelde- und Eingangsbereich geht es häufig zu wie auf einem Bahnhof und die Hunde sind gezwungen, viel zu dicht beieinander zu sein. Es kann auch hilfreich sein, zu zweit zu gehen, so dass sicher einer um Anmeldung und spätere Bezahlung und der andere um den Hund kümmert.
Ist es nicht möglich, außerhalb des Wartezimmers zu warten, dann solltest du dir möglichst einen Platz suchen, der sich nicht direkt an der Anmeldung, dem Eingang und in Durchgängen befindet. Besitzt du einen kleinen Hund, spricht auch nichts dagegen, ihn im Wartezimmer auf den Schoß zu nehmen, bzw. den Hund sogar in die Praxis rein und wieder raus zu tragen, vorausgesetzt der gesundheitliche Zustand des Hundes erlaubt ein Hochnehmen, der Hund ist es gewohnt auf dem Arm oder dem Schoß gehalten zu werden und hat damit kein Problem
So geht´s etwas leichter - Im Behandlungsraum
Manchen Hunden hilft es, wenn sich vor dem Beginn der Behandlung erst einmal im Behandlungszimmer umgucken dürfen und vielleicht Tierarzt und Mitarbeiter begrüßen dürfen. Auch wenn das natürlich aus zeitlichen Gründen nicht immer möglich ist, wäre es schön, dem Hund dies zu ermöglichen, gerade wenn er das erste Mal beim (bei diesem) Tierarzt ist.
Muss der Hund auf den Behandlungstisch, ist vielen schon damit geholfen, wenn dies von dir selbst erledigt wird. Große Hunde können unter Umständen vielleicht auch einfach am Boden, kleinere auf dem Schoß des Besitzers untersucht werden.
Muss der Hund während der Behandlung festgehalten werden solltest du dies selbst tun, bzw. zumindest so nah bei deinem Hund bleiben, dass er dich wenigstens sehen kann.
Bei manchen Hunden hilft es beruhigend auf sie einzureden, sie für das Stillhalten zu loben und während des Festhaltens zu kraulen, vorausgesetzt sie mögen dies. Solltest du selbst zu nervös sein, so dass das Zureden eher einem Quietschen ähnelt und das Kraulen eher einem hektischen Wuscheln, ist es besser, deinen Hund einfach nur still festzuhalten.
Was bei Welpen oft noch selbstverständlich ist, wird beim erwachsenen Hund oft vergessen oder als nicht mehr notwendig betrachtet - das Belohnen, bzw. Ablenken mit Futter während der Behandlung. Der erwachsene Hund bekommt oftmals erst nach der Behandlung noch einen Keks zugesteckt. Dabei wäre es für viele Hund eine Erleichterung, wenn sie während der Behandlung vielleicht aus einer Futtertube schlecken dürfen, vorausgesetzt der Hund nimmt Futter noch an und muss nicht nüchtern sein.
Vielleicht besteht auch die Möglichkeit, den Tierarzt bei der Behandlung zu unterstützen indem du zum Beispiel selbst die Schnauze des Hundes öffnest, damit der Tierarzt die Zähne kontrollieren kann (natürlich nur, wenn dies gefahrlos möglich ist).
Ist abzusehen, dass der Hund die Behandlung nicht tolerieren wird, sollte zur Sicherheit aller Beteiligten, dem Hund ein Maulkorb angelegt werden. Damit der Maulkorb nicht zu einem zusätzlichen Stressor wird, empfiehlt es sich, dass der Hund schon vorher über ein Maulkorbtraining sehr gut an den Maulkorb gewöhnt wird (ein Maulkorbtraining kann auch einmal für andere Situationen nützlich sein) und bei der Behandlung seinen eignen gut passenden Maulkorb tragen kann. Von der Verwendung von Maulschlaufen oder dem zubinden der Schnauze ist, außer es handelt sich um einen Notfall und es ist nichts anderes greifbar, abzusehen.
Auch der Tierarzt kann helfen
Auch wenn eine Behandlung oft unumgänglich ist und letzten Endes ja auch der Gesundheit des Hundes dient, der Tierarzt also seine Arbeit erledigen muss, ist es nicht Aufgabe des Tierarztes deinen Hund zu erziehen. Schimpfen, auf die Nase hauen oder ähnliche “Korrekturen“ durch den Tierarzt (oder andere Personen einschließlich dir selbst) ist ein NO GO. Auch sollte der Hund niemals dafür bestraft werden, dass er versucht auszuweichen oder dafür das er knurrt. Auch Anmerkungen seitens des Tierarztes oder der Mitarbeiter über den ach so unerzogenen Hund oder darüber, dass dieser sich nicht so anstellen soll, sind völlig fehl am Platz. Wie oben schon erwähnt, bedeutet der Tierarztbesuch für den Hund einen Ausnahmezustand und hat sehr wenig damit zu tun, wie er sich sonst im Alltag verhält. Das Mindeste was man von einem Tierarzt erwarten kann, ist, dass er Verständnis zeigt. Sollte dies nicht der Fall sein, solltest du überlegen, ob ein so wenig einfühlsamer und empathischer Umgang mit dem Hund wirklich das ist, was du möchtest oder ob es nicht sinnvoll sein kann, sich noch einmal nach einem anderen Tierarzt umzusehen.
Ruhe!
Ist der Tierarztbesuch überstanden, wurde dein Hund vielleicht sogar geimpft oder hat anderweitig Medikamente bekommen, ist es wichtig, ihm anschließend Ruhe zu gönnen. Wenn sein Gesundheitszustand dies nicht sowieso erfordert, sollten die nächsten Spaziergänge nicht zu lang, anstrengend und aufregend gestaltet werden und der Hund sollte viel Zeit zum Ausruhen und Schlafen haben. Vieles von dem oben angeführten gilt übrigens auch für den Besuch im Hundesalon. Auch dort gilt: Bitte hab ein offenes Auge und ein offenes Ohr für die Sorgen und Ängste deines Hundes. Hilf ihm, soweit dies möglich ist, und überlese das, was auf der Stirn anderer geschrieben steht.
Foto: Lara Meiburg Photographie
Originalbeitrag geschrieben für und veröffentlicht auf hey-fiffi.com
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